Aller Anfang ist schwer: Soziale Netzwerke und Banken. Gemäss neusten Zahlen sind schon 3 Millionen Schweizer auf Facebook. Immer mehr Anleger informieren sich heute auf Internetseiten oder über Soziale Medien. Dies haben nun auch einzelne Finanzinstitute erkannt und starten erste Gehversuche in Sozialen Medien: Sowohl Schweizer Raiffeisenbanken, Kantonalbanken, Migros und Coop Bank als auch die Privat und Grossbanken sind bereits mit Auftritten in „Social Media“ Portalen wie Facebook, Twitter, Communitys und Blogs präsent.
Meist stehen dort allgemeine Themen wie Sport, Kultur, Soziales Engagement, Wettbewerbe oder auch Karriere im Vordergrund, was grundsätzlich geeignete Inhalte sind. Für die Helvetia Versicherung bloggt beispielsweise neu der Komiker Claudio Zuccolini. Die Migros Bank versucht gar mit Migipig eine eigene Community rund ums Sparen aufzubauen. Benchmark im Community-Aufbau ist die deutsche Fidor Bank, welche durch ihren „Like Zins“ und Geldüberweisungen über Twitter bekannt wurde.
Immer mehr Schweizer Banken integrieren Facebook und Twitter Symbole auf ihren Webauftritten oder sind auf den Karriere-Communitys Xing und Linkendin mit den Recruiting Abteilungen vertreten.
Vielen fehlt es aber noch an einer klaren Social Media Strategie. Dies zeigt sich an der geringen Anzahl von Fans und Followern sowie am mangelnden Dialog. Viele haben möglicherweise Angst vor diesen neuen Kanälen und bleiben ihnen deshalb fern. Nicht nur das, gemäss dem Beratungsunternehmen Ernst & Young sperren 9 von 10 Schweizer Banken den Zugang zu Facebook, Twitter oder auch zur Video-Community Youtube. Fazit: Bei vielen Finanzinstituten muss erst einmal ein Kulturwandel stattfinden. Erste Ansätze sind langsam zu erkennen, so ist Youtube seit einigen Monaten bei Credit Suisse freigeschaltet.
Schweizer Banken im Rückstand
Ausländische Banken sind im Umgang mit den neuen Medien mindestens zwei Jahre voraus. So berät die neuseeländische ASB Bank ihre Kunden via Facebook, während US-Institute wie Movenbank oder Bank Simple gar fast gänzlich auf den Sozialen Netzwerken agieren. Auch bei unseren Nachbarländern erkennt man langsam Fortschritte. Die Bank Austria bietet eine Videoberatung an und auch die Deutsche Bank geht immer mehr den „sozialen“ Weg, wo seit Ende Oktober ein 18-köpfiges Team die Twitter-Auftritte für Privatkunden betreut.
Viele eidgenössische Banken haben noch nicht verstanden, dass Soziale Medien keine Einwegkommunikation sind und nutzen Facebook und Twitter nur als reine PR-Maschinerie und der Dialog wird vernachlässigt. Insbesondere bei den angelsächsischen Instituten steht der Dialog viel mehr im Vordergrund.
Das Bedürfnis nach schneller und transparenter Online-Kommunikation rund um Geldanlagen wird zumindest in der Schweiz bisher noch nicht ausreichend erfüllt. Die Kundenseite formt derweilen ihre eigenen Communitys, dies gilt nicht nur für Privatkunden sondern auch für Family Offices oder unabhängige Vermögensverwalter.
Denn eines sollte nicht vergessen werden, dass Soziale Netzwerke auch als moderne Variante der Mund zu Mund Propaganda bezeichnet werden kann, mit allen Vor und Nachteilen.
Struki-Emittenten meiden Soziale Netze
Erste Gehversuche starten nun auch die Schweizer Finanzprodukt-Emittenten. Seit Kurzem twittern, wenn auch noch etwas zurückhaltend, UBS Fonds und auch der Fondspezialist Swisscanto. Bei Letzteren steht gar ein Blog im Mittelpunkt. Es ist schon erstaunlich, dass die eher als verstaubt geltenden Anlagefonds-Anbietern vor den innovativen ETF und Derivatanbietern versuchen mit neuen Medien zu punkten. Wieso ausgerechnet die Strukturierte Produkte Emittenten aus dem Investmentbanking bisher auf den Netzwerken fehlen ist nicht nachvollziehbar.
In die Bresche versuchen die Derivatbörsen und Online-Banken zu springen. Scoach und Eurex starteten dieses Jahr mit zaghaften Auftritten im Web 2.0 und Swissquote betreibt z.B. eine Facebook Seite die immerhin schon 9‘000 Fans hat.
Sicherlich falsch ist, die Sozialen Medien einfach als Weiteren Verkaufskanal zu nutzen. Den Usern muss ein Mehrwert geboten werden. Dies kann ein Service sein, z.B. in Form einer Facebook Gruppe, wo Antworten auf Fragen rund um Derivate beantwortet werden oder wo sich Gleichgesinnte austauschen können.
Das grosse Wissen, das in den Investmentbanken steckt, gilt es weiterzugeben. Warum also nicht unabhängige Vorträge z.B. über Börsenpsychologie im Netz zur Verfügung stellen.
Gemäss einer Studie des deutschen Zertifikateportals Onvista wünschen sich die User insbesondere Marktberichte, Analysen sowie Aktien-Tipps. Strukturierte Produkte Teams arbeiten meist eng mit Researchabteilungen zusammen, und lassen dieses Wissen in ihre Produkte einfliessen. Wieso dann nicht gleich die Research Berichte auf Soziale Medien stellen? Meist stehen dem rechtliche Bedenken entgegen, die sich jedoch lösen lassen , wie das auch UBS Fonds in Twitter beweist, indem vorab ein Disclaimer mit Landesangabe bestätigt werden muss.
Der Grundstock an Inhalten (Content) ist bei den hiesigen Strukturierten Produkte Emittenten mehr als vorhanden. Es werden zahlreiche Vorträge gehalten, Monatsmagazine oder gar tägliche Kurzkommentare produziert. Zudem gibt es ganze Bücher und CD-Sammlungen zur Ausbildung in Zertifikaten und Finanzmärkten. Vorträge könnten heutzutage bspw. via Google Hangouts, eine Art moderne Videoübertragung, direkt auf Youtube gestreamt werden. Anleger müssten nicht mehr vor Ort sein und die Vorträge würden danach im Netzvielen weiteren Interessierten zur Verfügung stehen. Zudem können die Präsentationen via SlideShare öffentlich gemacht werden.
Übrigens sind auch hier Deutsche Zertifikate-Emittenten ihren Schweizer Kollegen einen Schritt voraus. Unter Anderem sind BNP, Commerzbank, Eniteo und Deutsche Bank seit Längerem, ING und HSBC seit Kurzem auf Twitter, Facebook oder Youtube präsent. UBS Deutschland betrieb sogar ein sehr erfolgreiches Trading-Game welches stark über die eigene Facebook-Seite promotet wurde.
Anzumerken ist jedoch, dass bei den meisten dieser Auftritte noch stark Verbesserunngspotential besteht. vgl. hier.
Erstmal zuhören
Bevor die Schweizer Finanzprodukt-Emittenten nun aber blind draufloslegen, sollten diese vorher die Bedürfnisse der Anleger evaluieren, zum Beispiel über Umfragen. Vielen Finanzinstituten sollte jedoch vor Allem zu einem geraten werden, um die Sozialen Netzwerke eingehend zu verstehen, sollten diese anfangen „zuzuhören“. Dafür eignet sich ein „Social Media Monitoring“. Ähnlich wie in der klassischen Print-Medienüberwachung werden Beiträge aus Online Artikel und Sozialen Medien gesammelt und danach aufbereitet und ausgewertet. So erkennt man Anlegerbedürfnisse, kann von Fehlern von anderen Teilnehmern lernen und identifiziert Meinungsführer, so genannte Multiplikatoren. Hat ein Emittent das Verhalten im Netz verstanden, seht es ihm offen, sich auf den Sozialen Netzwerken mittels innovativer Auftritte zu positionieren. Sobald er aber präsent ist , fängt das Monitoring erst richtig an.
Dieser Artikel erschien in ähnlicher und gekürzter Form in der Finanz und Wirtschaft vom 12.12.2012.
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